In einer Zeitschrift, in der alles nur nach dem Ohr abläuft, will ich ein Sakrileg begehen: Ich drohe mit exakten Daten und mit Diagrammen! Ist das denn wirklich notwendig, werden Sie sich fragen. Ja, verdammt noch mal. Alles, was Musik macht, seien es die besprochenen Anlagen in diesem Heft oder eine Violine oder ein Schlagzeug: Sie gehorchen alle den Gesetzen der Physik. An Physik ist nix Mystisches oder zu Erratendes, alles ist exakt beschreibbar und vermessbar. Man könnte sogar sagen, wenn die Physik nicht so funktionieren würde, dann könnte man gar nicht das hören, was ich hier zu besprechen später die Stirn habe.
Worum geht es eigentlich? Um die physikalisch korrekte Anpassung von Tonabnehmern an vorhandene Phonoverstärker. Dabei wird nicht die klangliche Charakteristik der verschiedenen Tonabnehmer gewertet, sondern nur die Tatsache: Was passiert wann?
Es gibt nirgendwo soviel falsche Kombinationen wie im Bereich der Tonabnehmer !!!
Dabei wird dann immer von der klanglichen Abstimmung oder dem persönlichen Geschmack geredet.
Alles Quatsch in Tüten: Wenn sich keine andere Möglichkeit bietet, bei einem bestehenden Tonabnehmereingang mit sehr engen Toleranzbereichen ein vernünftiges klangliches Ergebnis zu bekommen, dann beginnt man mit dem Austausch von Tonabnehmern. Das wird teuer!
Dabei wäre eine flexible Lösung seitens verschiedener Hersteller wesentlich effektiver und würde gar kein Geld kosten. Gemeint ist die problemlose Anpassung von Phonovorverstärkern in Bezug auf Eingangswiderstand und Eingangskapazität. Bei der heutigen modernen Halbleitertechnik ist es nicht mehr opportun, Phonoeingänge für MC-Systeme mit 100 Ohm Eingangswiderstand zu bauen. Dies ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten, als man sagte: Viel Widerstand rauscht viel, also brauchen wir wenig Widerstand. Übrigens, alle Aussagen beziehen sich auf nicht transformatorisch gekoppelte Stufen. Dabei verschieben sich die Verhältnisse etwas, werden aber nicht grundlegend verändert. Diesen Punkt möchte ich aber nicht besprechen, da dann sicherlich die klanglichen Aspekte von Transformatoren ins Spiel kommen.
Die Simulationen zeigen immer zwei verschiedene Kurven in Verbindung mit den jeweils angenommenen Eingangskonfigurationen:
Frequenzgangverlauf | Phasenverlauf | | |
Beispiele für den prinzipiellen Kurvenverlauf. Eine Gerade auf der Nulllinie wäre das Ideal.
Dabei wird immer die Abweichung von einer als ideal angenommenen Kurve dargestellt. Um die Sache zu erklären: Besitzt ein Tonabnehmer einen linearen Frequenzgang, dann wird durch den Anschluß an den dazugehörigen Tonabnehmereingang eine Veränderung dieser Größe auftreten, ebenso im Phasengang. Andere Eigenschaften, wie die Selbstinduktion und die daraus resultierenden mechanischen Rückstellkräfte sollen hier nicht berücksichtigt werden. Die für die Simulation eingesetzten Werte basieren entweder auf Meßergebnissen der Zeitschrift Stereoplay oder eigenhändig emittelten Meßwerten. Der Schaltungsaufbau ist immer identisch, lediglich Eingangswiderstand und -Kapazität ändern sich in Abhängigkeit vom verwandten Tonabnehmersystem.
Beim Frequenzgang sind zwei Parameter von Bedeutung: Die Einfügungsdämpfung und die Veränderung des Frequenzganges in Abhängigkeit von der Frequenz. Die Einfügungsdämpfung gibt die generelle Abschwächung des Tonabnehmersignals an, das durch die Kombination von Tonabnehmerinnenwiderstand und Verstärkereingangswiderstand hervorgerufen wird. Diese Abschwächung ist immer vom ohmschen Innenwiderstand des jeweiligen Probanden bestimmt. Kleine Veränderungen sind im Bereich von plus/minus 1 dB definiert und als klangliche Kolorierung zu werten; alles, was darüber hinaus geht, ist eine soundmäßig massive Verfärbung. Die Einfügungsdämpfung bei tiefen Frequenzen ( bis ca. 1 kHz beschreibt die Verluste des Systems, die mittels höherer Verstärkung und dadurch zusätzlich erzeugtem Rauschen wieder aufgeholt werden müssen.
Die Induktivität eines Tonabnehmers bestimmt die Variation des Frequenzgangs zu höheren Frequenzen hin, im allgemeinen so ab ca. 10 kHz und trägt in wichtigem Maße zur Brillanz oder vielleicht Lästigkeit eines Systems bei.
In beiden Fällen sind 6 dB als akustische Verdoppelung oder Halbierung zu sehen, das heißt: Es wird doppelt so laut oder leise!
Magnetsysteme werden mit vorgeschriebenen 47 kOhm abgeschlossen, wobei für das Anschlußkabel eine Kapazität von 150 pF angenommen wird. Damit ist man sicher im grünen Bereich, es sei denn, man benutzt sehr esoterische Tonarmkabel. Für Die Eingangskapazität von MM-Stufen wird 220 pF angenommen, was dem Standard entsprechen sollte; allerdings haben viele Hersteller wegen der CE-Norm wesentlich höhere Werte eingebaut. Dafür habe ich eine sogenannt Katastrophensimulation eingebaut.
Bei MC-Tonabnehmern spielt eher der Eingangswiderstand eine Rolle: Auch hier existiert eine Katastrophensimulation.
Nachfolgend eine Auflistung der simulierten Systeme:
Der Schaltplan :
| Die Bauteilebedeutungen :
L1 = Induktivität des Tonabnehmers
R1 = Ohmscher Innenwiderstand des
Tonabnehmers
C1 = Kapazität des Zuleitungskabels vom
Tonarm zum Vorverstärker
C2 = Eingangskapazität der Phonovorstufe
R2 = Eingangswiderstand der Phonovorstufe |
Beim Betrachten der Diagramme sollte man auf die linke vertikale Achse achten, die sehr unterschiedliche Maßstäbe darstellt. Ist der Bezeichnung dB oder Grad ein m vorangestellt, dann bedeutet das Tausendstel Grad oder dB.
Fazit
Auffällig ist der sehr starke Anstieg des Frequenzganges bei MM- Systemen oberhalb von 5 kHz. Er ist um so ausgeprägter, je höher die Induktivität und der Widerstand des Tonabnehmers sind. Das alles spielt sich im hörbaren Bereich ab, bei den Goldring Systemen um 10 kHz, gefolgt von einem steilen Abfall des Frequenzganges um 9 dB bei 20 kHz beim Goldring 1042. Das Grado zeigt einen Anstieg gar um 10 dB bei ca. 32 kHz. Das belastet Hochtöner und Verstärker. Die Phasenverschiebungen sind teilweise recht heftig und werden nicht durch den RIAA-Verstärker ausgeglichen! Die Idealsimulation zeigt auf, daß es sowenig wie möglich an Kapazität zwischen Tonabnehmer und Vorverstärker geben sollte. Je niedriger die Induktivität bzw. der Widerstand sind, umso gutmütiger verhält sich das System. Eingangskapazitäten von 47 pF sind durchaus realisierbar und haben nichts mit Störfestigkeit oder der CE-Norm zu tun.
MC-Systeme verhalten sich in Punkto Kapazität sehr viel toleranter, was durch die niedrige Induktivität bewirkt wird. Allerdings zeigt sich eine sehr starke Einfügungsdämpfung, im Falle vom Wilson Benesch Carbon von fast 6 dB. Das ist der Wert, um den das System leiser wird, wenn man es nur an den Eingang des Phonoverstärkers anschließt. Natürlich muß dieser Pegelverlust aufgeholt werden, durch höhere Verstärkung im MC-Verstärker. Das erzeugt höheres Rauschen und Brummen, völlig unnötigerweise! Die wohl extremsten Werte erhält das Wilson Benesch Carbon, wenn es einmal mit 33 Ohm abgeschlossen wird (typischer Übertrager), oder mit 2 kOhm. Beim hochohmigen Abschluß sind die Werte für Einfügungsdämpfung und Phase verschwindend klein, der Vorverstärker kann auf 6 dB höhere Verstärkung verzichten und rauscht weniger!
Der wohl augenfälligste Unterschied ist zwischen MM- und MC-Systemen im Verlauf der Phase zu finden. Bei MM’s kann die Phasenlage bis zu 180 Grad verschoben sein, das heißt: Das verschobene Signal ist in seiner Polarität einmal völlig verdreht. Bei MC’s beträgt diese Drehung immer nur wenige Grad oder Milligrad. Das bedeutet, das die sogenannte Gruppenlaufzeit eines Signals im MC-System kohärent ist und keinerlei Verschiebung zwischen zwei Signalen auftritt, die zum gleichen Zyklus gehören und verschiedene Frequenzen aufweisen. Vielleicht ist dort der Grund zu suchen, warum MC-Systeme als schneller, durchsichtiger oder räumlicher bezeichnet werden. Die vorangegangenen Simulationen sind technisch und physikalisch einwandfrei nachzumessen und deckungsgleich mit meinen eigenen Messungen. Sie sagen nichts über den Klang aus, lassen aber manche Vorraussagen zu.
Damit hat sich der MC-Tonabnehmer als der technisch Richtigere bewiesen.
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